Essen, Hoffnungstr. 18 (Haus der DKP)
Vermutlich vertippt, meinte ein Genosse, als er über dieses Thema informiert wurde; es habe doch wohl „Der VII. Weltkongress“ heißen sollen?
Aber nein, es war kein Verschreiber – die Verwunderung beweist nur: Selbst vielen an der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung interessierten Menschen, von Fachhistorikern abgesehen, sind sämtliche Weltkongresse außer dem letzten, der 1935 stattfand, völlig aus dem Blick geraten.
Und das ist schade; denn alle sieben Weltkongresse können, im Positiven, zuweilen auch im Negativen, Erfahrungen vermitteln, die für dem Umgang mit Problemen, vor denen heutige Marxistinnen und Marxisten stehen, hilfreich sein.
Für den 4. Kongress, eröffnet am 5. November 1922 in Petrograd, dann vom 9. November bis zum 5. Dezember fortgesetzt in Moskau, gilt das in ganz besonderem Maße. Es war der letzte, an dessen Vorbereitung Lenin beteiligt war und, obwohl schon schwer erkrankt, bei einer der insgesamt 32 Sitzungen auch sprach: unter dem Generalthema „Fünf Jahre russische Revolution und die Perspektiven der Weltrevolution“ zu Fragen der Neuen Ökonomischen Politik. Und es war ein Kongress, bei dem sehr weitgehende Schlussfolgerungen diskutiert und gezogen wurden aus dem Umstand, dass die Arbeiterklasse in kapitalistischen Hauptländern konfrontiert war mit einer Offensive des Kapitals. Die Machtübertragung an Mussolini in Italien (der „Marsch auf Rom“ hatte wenige Tage vor Beginn des Kongresses stattgefunden) war nur deren extremster politischer Ausdruck – fast überall waren die ökonomischen wie politische Organisationen der Arbeiterbewegung, anders als unmittelbar nach dem Ende des Weltkriegs, in die Defensive geraten.
Natürlich können wir nicht alle Fragen ansprechen, die bei den Verhandlungen des 4. Weltkongresses eine Rolle spielten – schließlich umfassen schon die beiden Protokollbände über 1000 engbedruckte Seiten.
In einem ersten, einleitenden Referat will Hermann Kopp (Düsseldorf) versuchen, den Platz des Kongresses den Platz des IV. Weltkongresses in der Geschichte der kommunistischen Weltbewegung und vor dem Hintergrund der damaligen Entwicklungen zu bestimmen.
Der zweite Vortrag, von Gerrit Brüning (Bremen), soll eingehen auf die Kontroversen, die es beim und nach dem Kongress um die Politik der KPs in den Hauptländern des Kapitals gab und die praktischen Antworten, die 1923 vor allem in Deutschland – Stichwort: Arbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen – aus seinen Beschlüssen gezogen wurden.
In einem dritten, eher kurzen Beitrag wird Kopp sich befassen mit der Diskussion über das Herangehen an die nationalen Befreiungsbewegungen in den Ländern des Trikont (damals genannt: die „orientalische Frage“).
Schließlich wird Hans-Peter Brenner (Bonn) die Ergebnisse des Kongresses untersuchen unter dem Gesichtspunkt, was davon für die heutige politische Arbeit fruchtbar gemacht werden kann.
Noch immer hoffen wir, dass unser Freund und Genosse Prof. Heinz Karl (Berlin) gesundheitlich in der Lage ist, sein geplantes Manuskript zur Rolle von Clara Zetkin auf dem Kongress und in der Komintern bis zu unserer Tagung fertigzustellen; selbst teilnehmen wird er leider auf keinen Fall können.
Videoaufzeichnungen der Beiträge