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Leseland ist abgebrannt? Zum Umgang mit der DDR-Literatur nach 1990

Samstag, 22. Juni 2019, 10:00 - 17:00
Leipzig, Villa Davignon, Friedrich-Ebert-Str. 77

Tagung in Kooperation mit der Rotfuchsgruppe Leipzig
Dem Anschluss der DDR an die BRD folgte die Vernichtung von Kunstwerken und Büchern. Tausende von Gemälden, Skulpturen, Reliefs und Wandbildern wurden zerstört, in Ausstellungen mit den Hervorbringungen des Faschismus gleichgesetzt, zugleich aber auch von reichen Sammlern aufgekauft. Der FAZ-Kunstkritiker Eduard Beaucamp, der an seiner seit den 60er Jahren gezeigten Wertschätzung für DDR-Malerei und -Grafik festhielt, blieb einsam.
Noch verheerender als der Bildersturm wirkte sich die Kulturbarbarei in der Literatur aus. Ungezählte Bibliotheken in Betrieben und Gemeinden der DDR wurden aufgelöst, Millionen Bücher wanderten auf den Müll. In privaten Initiativen wurde versucht, zu retten, was zu retten war. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden die Sammelaktionen von Pfarrer Martin Weskott aus dem niedersächsischen Katlenburg und die des Schauspielers Peter Sodann, der im sächsischen Staucha eine fast 400.000 Bände umfassende Bibliothek von DDR-Büchern aufgebaut hat.
Parallel zur Büchervernichtung wandten sich ganze Heerscharen westdeutscher Feuilletonredakteure, Literaturwissenschaftler und Schriftsteller gegen ihre Kolleginnen und Kollegen in Ostdeutschland. Auch Autorinnen und Autoren wie Christa Wolf und Heiner Müller hatte man nun „am Haken“, wie es die Zeit-Redakteurin Iris Radisch damals triumphierend verkündete. International geehrte DDR-Schriftsteller wie Hermann Kant wurden mit einem Bann belegt, die Hetzjagd machte selbst vor Verstorbenen wie Anna Seghers, Bertolt Brecht oder Arnold Zweig, die sich nach 1945 aus dem Exil kommend für die DDR entschieden hatten, nicht halt. Auch hier gab es stets andere Stimmen und Verlage, die unter zumeist schwierigen Bedingungen mit ihren Autorinnen und Autoren weiterarbeiteten.
Was hat sich seit 1990, faktisch eine Generation danach, an dieser Situation geändert? Manches deutet darauf hin, dass der kulturelle Graben zwischen Ost und West breiter wird, nicht schmaler. Den Ursachen dafür will die Tagung im 30. Jahr nach der Grenzöffnung nachgehen. Zugesagt haben bisher die Literaturwissenschaftlerin Sabine Kebir, die über die Erfahrungen der Schriftstellerin Elfriede Brüning (1910-2014) sprechen wird und der Chef der Eulenspiegel-Verlagsgruppe und Literaturwissenschaftler Matthias Oehme, der seine Erfahrungen als Verleger von DDR-Literatur nach 1990 darlegen wird. Der Literaturwissenschaftler Kai Köhler wird sich mit der Darstellung von DDR-Literatur in Lexika und Nachschlagewerken seit 1990 befassen, der Philosoph und Journalist Arnold Schölzel referiert zum Thema „Große Unbekannte und geheimes Wunschbild. Die DDR-Kultur im bundesdeutschen Rückblick“. Der Schriftsteller Norbert Marohn fasst seine Erfahrungen unter dem Thema „Die Angst vorm andern. Literarische Versuche in vier Jahrzehnten DDR“ zusammen.