
Marx Engels aktuell
Viele sagen, Marx und Engels – geboren zum Beginn des 19. Jahrhunderts – wären nicht mehr aktuell, weil die Zeiten eben heute ganz andere sein. Sie irren. Natürlich kannten beide noch keine Computer und hätten gestaunt über die Erfolge der Raumfahrt. Das, was sie schrieben, ist aber nicht nur wegen ihrer Methode, alles kritisch zu hinterfragen, von bleibendem Wert. Viele ihrer Äußerungen helfen uns heute Lebenden, die moderne Welt besser zu verstehen. Dem soll diese kleine Serie „Marx und Engels aktuell“ dienen. In ihr spiegelt eines unserer Mitglieder einmal im Monat aktuelle Ereignisse an Aussagen der beiden Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus.Marx und Engels zu den Voraussetzungen dauerhaften Friedens nach innen und außen
Von Karl Marx und Friedrich Engels ist kein zusammenhängendes, großes Werk über das Thema Krieg und Frieden überliefert, dass alle denkenden und fühlenden Menschen des blutigen 20. Jahrhundert und des immer blutiger werdenden 21. Jahrhunderts beschäftigt. Das hat seinen schlichten Grund darin, dass beide noch vor dem Zeitalter lebten und wirkten, welches die Marxistin Rosa Luxemburg in ihrer berühmten „Junius-Broschüre“ zur „Krise der Sozialdemokratie“ später das „Zeitalter der Weltkriege“ nennen sollte, in dem wir uns immer unverkennbarer befinden.
Sowohl Luxemburg als auch Wladimir Iljitsch Lenin standen auf den Schultern von Marx und Engels – auch in der Friedenfrage.
Marx und Engels haben die Geburt des deutschen Parlamentarismus ohne die heutige Aufgeblasenheit begleitet
Mit ziemlichem Getöse und Selbstbeweihräucherung hat die politische Spitze des deutschen Staates des Zusammentretens der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt vor 175 Jahren gedacht. Die dort zelebrierte gegenseitige Schulterklopferei ist der Bevölkerung weitgehend am Hintern vorbeigegangen - die Vertrauen in den Berliner Politikbetrieb ist, wie das „Institut für Demoskopie“ in der FAZ am 19.Mai berichtete, „begrenzt. Nur zehn Prozent haben großes, 29 Prozent überhaupt kein Vertrauen.“
Das liegt an der Grundkonstruktion des bürgerlichen Parlamentarismus, der die Klassenherrschaft des Kapitals vor allem verhüllen soll, niemals aber gefährden darf. Die Mehrheit der Bevölkerung ahnt das mindestens und ist nicht davon abzubringen, dass die Wahrheit der prokamierten Demokratie im kapitalistischen Alltag liegt.
Weiterlesen: "... lächerlich... und dabei so erfüllt von ihrer eigenen Wichtigkeit..."
Bis in unsere Provinzpresse hinein reichte das Beben, das der Erfolg der „Kommunistischen Partei Österreich plus“ bei den Landtagswahlen im Bundesland Salzburg am 23. April 2023 auslöste. Mit 11,7 Prozent der Wählerstimmen zogen die Kommunistinnen und Kommunisten in den dortigen Landtag ein. Reichlich konsterniert stellte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) am 25. April fest: „Damit ist Salzburg bereits das zweite tiefrote Einsprengsel in Österreich, neben der Steiermark mit ihrer Hauptstadt Graz unter KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr.“ Das „Göttinger Tageblatt“ vermerkte am selben Tag irritiert: „Die Bilder am Sonntagabend aus dem Salzburger Musikclub Jazzit zeigen sehr viele lauthals jubelnde Menschen. Auffällig ist, wie jung die allermeisten von ihnen sind. Doch hier ist keine Clubparty, es feiern die Kommunisten ihren Wahlerfolg im österreichischen Bundesland Salzburg. Das ist die Sensation dieser Landtagswahl: Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) kommt wie aus dem Nichts auf 11,7 Prozent der Stimmen. 2018 waren es noch typische 0,4 Prozent. In der Stadt Salzburg mit ihren 160 000 Einwohnerinnen und Einwohnern erreicht die als KPÖ plus angetretene Gruppe gar knapp 22 Prozent und liegt dort auf Platz zwei, nur 2,5 Punkte hinter der konservativen ÖVP. Seit 1949 ist die KPÖ damit erstmals wieder im Salzburger Landtag vertreten, und das mit gleich vier Parlamentariern. Wie kann das sein?
Weiterlesen: „Dass der heutige Staat der Wohnungsplage weder abhelfen kann noch will…“
Die Entstehung und Bedeutung der „Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie“
Der April 1858 – also in diesem Monat vor 165 Jahren – ist für Karl Marx in London kein guter Monat. Nachdem ihm die Niederlage der 48er-Revolution ins Exil nach London verschlagen hatte, fristet er dort ein karges Dasein, finanziell unterstützt vor allem durch seinen in Manchester in der Textilfabrik seines Vaters arbeitenden Freund Friedrich Engels. Seit 1850 betreibt Marx, Stunden, Tage und Nächte in der „British Library“ verbringend, intensive ökonomische Studien. Als 1857 erneut eine tiefe ökonomische Krise ausbricht, in deren Folge sowohl Engels als auch er ähnlich wie zehn Jahre zuvor eine elementare politische Erhebung erwarten, intensiviert der damals knapp 40jährige Familienvater diese angestrengte Arbeit. Hauptsächlich in den Nachtstunden schrieb er von Oktober 1857 bis März 1858 das nieder, das zwar in Teilen, aber in seiner Gänze erst lange nach seinem Tod – in den Jahren 1939 bis 1941 - das Licht der Welt erblickte: Die „Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie“. Sie bilden das Fundament des später erschienen weltberühmt gewordenen Buches „Das Kapital“.
175 Jahre „Manifest der Kommunistischen Partei“
Wichtige Bücher hinterlassen ihre Spuren in der Geschichte auf vielfache Weise. Als in diesem Februar die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihre Entschlossenheit bekräftigte, für eine Lohnerhöhung von 12 Prozent, mindestens aber 650 Euro zu kämpfen, druckte sie auf eines ihrer Plakate den Satz „Eisenbahner:innen aller Bahnen, vereinigt Euch!“.
Vor jetzt 175 Jahren erschien in einer Auflage von tausend Exemplaren in London die erste Ausgabe des Manifests der Kommunistischen Partei - um den internationalen Anspruch der Bewegung deutlich zu machen in sechs Sprachen zugleich. Auf dem Titelblatt der Erstausgabe prankte der gleichzeitig letzte Satz des Textes: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch!“. Ob die EVG sich dessen nun bewusst ist oder nicht – die veränderte Hereinnahme dieses berühmten Satzes in die laufenden Tarifauseinandersetzungen ist ein Geburtstagsgeschenk, über das sich Karl Marx und Friedrich Engels gefreut hätten.
Vor knapp 130 Jahren, im März 1893, erschien im sozialdemokratischen „Vorwärts“ eine achtteilige Artikelserie von Friedrich Engels unter der Überschrift „Kann Europa abrüsten?“[1] Sie begleitete die damalige Reichstagsdebatte über die Militärvorlage, mit der der damalige Reichskanzler General von Caprivi[2] die Aufrüstung Deutschlands vorantrieb.
Im ersten Teil der Serie, der am 1. März erschien, umriss Engels die Lage:
„Seit fünfundzwanzig Jahren rüstet ganz Europa in bisher unerhörtem Maß. Jeder Großstaat sucht dem andern den Rang abzugewinnen in Kriegsmacht und Kriegsbereitschaft. Deutschland, Frankreich, Russland erschöpfen sich in Anstrengungen, eins das andre zu überbieten. Gerade in diesem Augenblick mutet die deutsche Regierung dem Volk eine neue, so gewaltsame Kraftanspannung zu, dass selbst der gegenwärtige sanfte Reichstag davor zurückbebt. Ist es da nicht Torheit, von Abrüstung zu reden?
Klares Ziel und langer Weg: Die Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Sozialismus ist das von Karl Marx und Friedrich Engels an der Jahreswende 1847 zu 1848 niedergeschriebene „Manifest der Kommunistischen Partei“. Dort ist nach einer gründlichen Analyse der bisherigen Menschheitsgeschichte das Banner, unter dem sich diese Kommunistische Partei nach Auffassung der beiden damals recht jungen Feuerköpfe versammeln sollte, klar beschrieben: „Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen…“[1]. Im Anschluss daran sind in aller Offenheit die Schritte skizziert, die eine kommunistische Partei im Zuge einer von ihr mitgestalteten Revolution unternehmen wolle und die allesamt dort, wo es kommunistisch geführte Revolutionen gegeben hat (und geben wird) auch zur Anwendung kamen und kommen werden. Angekündigt sind unter anderem „despotische Eingriffe in das Eigentumsrecht.“ Diese ersten Schritte sind aber nicht das Ziel. Das ist weiter gesteckt: „Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. … An Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“[2]
Weiterlesen: „Sie setzt die Entwicklung geistiger und materieller Bedingungen voraus…“
Ganze 14 Zeilen auf Seite 7 war es der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) am 25. November 2022 wert, unter der Überschrift „Armut in Deutschland stark gewachsen“ über eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung zu berichten, nach der die Armut im vergangenen Jahrzehnt „deutlich zugenommen“ habe. Die Quote der „sehr armen Menschen, die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, sei zwischen 2010 und 2019 um gut 40 Prozent gestiegen“, wird dort zusammenfassend gemeldet.
Wohlgemerkt: Dies ist eine Studie, die den jüngsten Verarmungsschub, den die heftige Inflation und die anderen Folgen des Wirtschaftskrieges gegen Russland, die sich insbesondere seit dem Frühjahr 2022 in unserem Land entfaltet, noch gar nicht abbildet. Es kann als sicher gelten, dass – kaum gedämpft durch die verschiedenen Wumms- und Doppelwumms-Pakete der Bundesregierung – diese Quote im Winter 2022/23 weiter dramatisch zunimmt.
Am letzten Oktoberwochenende trafen sich in Frankfurt am Main zwei Dutzend Marxistinnen und Marxisten ganz unterschiedlicher Altersgruppen und Berufe, um sich zwei Tage lang mit dem „Menschenbild im Klassenkampf“ zu befassen. Das sieht angesichts der dramatischen Zeiten des Ukraine-Krieges, der Klimakatastrophe, der Inflation und der beinharten Tarifkämpf, vor denen die IG Metall und ver.di stehen, vielleicht wie ein übertriebener Luxus oder gar wie eine Flucht aus der Gegenwart aus. Das ist aber nicht so.
Karl Marx befasste sich schon sehr früh, noch vor der Vertiefung in ökonomische Zusammenhänge, mit der Frage, was den Menschen zum Menschen macht. In seinen im Frühjahr 1845 verfassten „Thesen über Feuerbach“ – da war er noch keine 30 Jahre alt – schreibt er: „Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“[1]. Instinktiv kämpfen alle reaktionären Ideologen und politischen Kräfte gegen diese Einsicht und versuchen mit ihrer ganzen Medienmacht den Menschen einzutrichtern, sie seien ein der übrigen Gesellschaft gegenüberstehendes Einzelwesen mit ganz besonderen Eigenschaften, die sie im Wettbewerb mit anderen ausprägen müssten, um erfolgreich zu sein. Dies geht bis zu dem bis heute gültigen Glaubensbekenntnis aller Konservativen, das die ehemalige britische Premierministerin Margarete Thatcher in den Satz kleidete: „So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht.“[2]
Weiterlesen: Gattungsvermögen, Kooperation und die kommenden Streiks
In der „Neuen Rheinischen Zeitung“, in der linke Revolutionäre unter Leitung ihres Chefredakteurs Karl Marx die aufwühlenden Ereignisse aus den Jahren 1848/49 berichtend und kommentierend begleiteten, erschien am 17. Mai 1849 die Notiz, dass am 10. Mai „Friedrich Engels, Redakteur der ‚Neuen Rheinischen Zeitung‘ von Köln nach Elberfeld“[1] gegangen sei und „von Solingen aus zwei Kisten Patronen“ mitgenommen hätte, „welche beim Sturm des Gräfrather Zeughauses durch die Solinger Arbeiter erbeutet worden waren.“ In Elberfeld angekommen stellte er sich dem dortigen „Sicherheitsausschuss“ zur Verfügung, der ihn sofort beauftragte, „sämtliche Barrikaden der Stadt zu inspizieren und die Befestigungen zu vervollständigen“. Schon einen Tag später wurde ihm die gesamte Artillerie der Aufständischen unterstellt. Er selbst hatte sich bei den Aufständischen mit dem Hinweis zur Verfügung gestellt, er sei unter anderem hier, weil er „in militärischer Beziehung vielleicht nützlich verwandt werden könne“[2].
Engels war also, das erhellt diese Textstelle, nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch der Tat. Sie erhellt zweitens, dass weder er noch die in seiner und Marxens Tradition stehende Menschen Pazifisten, also grundsätzliche Gegner jeder Anwendung von Gewalt gewesen waren. Sie waren es nicht und sind es auch heute nicht.
Weiterlesen: „… in militärischer Hinsicht vielleicht nützlich…“
- „…materielle Kräfte mit geistigem Leben ausstatten und das menschliche Leben … verdummen“
- „… Steigerung der Lohnrate … Warenpreise zu beeinflussen“
- „… wichtiger als ein Dutzend Programme“
- „… wieder als Eins mit der Natur“
- „eigentliche Aufgabe … die Herstellung des Weltmarkts“
- Sanktionen – oder: „Eine Ware … ein sehr vertracktes Ding…“
- Wir sind nicht Eigentümer der Erde - sondern nur ihre Nutznießer
- Je ein Kapitalist schlägt viele tot.